Antwort auf: „Time is Brain“ (MS-Docblog)

Prof. Mäurer hat seit den ersten Beträgen im MS-DOCBLOG durchaus etwas geändert: Er drückt sich konzilianter aus, beleuchtet wenigstens kurz die Gegenargumentation und verwendet Quellenangaben. Nichtsdestotrotz bleibt es problematisch, so auch im vorliegenden Beitrag: https://www.ms-docblog.de/multiple-sklerose/time-is-brain

  1. Das hier präsentierte Schaubild wird tatsächlich sehr gerne auf ärztlichen Fortbildungsveranstaltungen gezeigt, beileibe nicht nur von Prof. Mäurer, und zwar ohne Hinweis auf den hypothetischen Charakter, sondern als Tatsache, zusammen mit all den im Blog verwendete Schlagwörter und Anglizismen: „moderne MS-Therapie“, „window of opportunity“ und eben „time is brain“. Verstärkt durch „hit hard and early“ entsteht ein Druck zur maximalen Immuntherapie, so früh wie möglich, und das ohne Datenbasis, sondern nur aufgrund eines eingängigen Bildchens.
  2. Die Studie, die diese Kritik angeblich widerlegen soll, kann das methodisch gar nicht leisten. Unter anderem stammen die in der Studie verglichenen Patientengruppen aus völlig unterschiedlichen Zeitspannen, mit nicht vergleichbarer Diagnostik. Wir hatten das in der ZIMS in der neuen Rubrik „Bockmist bei MS“ im Abschnitt „Multiple Sklerose: Therapie so früh wie möglich“ schon mal erläutert. (https://ms-stiftung-trier.de//bockmist-bei-ms)
  3. Das hier so unkritisch präsentierte „MSBase-Register“ mag international sein und viele Patientendatensätze enthalten, aber das reicht nicht, um daraus Schlussfolgerungen auf die Wirksamkeit unterschiedlicher MS-Therapien ziehen zu können. Es fehlen Qualitätskontrollmechanismen der Dokumentation, die für klinische Arzneimittelstudien vorgeschrieben sind. Die teilnehmenden Patienten sind stark selektioniert, da sie in den teilnehmenden Zentren behandelt werden müssen. Das erhobene Datenminimum pro Patient beinhaltet keine Erfassung der Nebenwirkungen.
  4. „MSBase“ geht auf das „iMed“-Register zurück, das die Serono Symposia Foundation, eine Stiftung des Serono-Pharmakonzerns, 2004 ins Leben gerufen hat. 2004 ging die Trägerschaft dann auf eine unabhängige Stiftung, die „MSBase foundation“, mit Sitz in Australien, über. Das ursprüngliche Steuerungskomitee wurde zum „Advisory board“, also zum Beratungskomitee, der neuen Stiftung umbenannt. Unter „Sponsors“ führt die Stiftung folgende, lediglich vier, pharmazeutische Unternehmen auf: Roche, Biogen, Merck, Novartis. (https://www.msbase.org/about-us/sponsors-and-donors/). Weitere Finanzierungen werden nicht berichtet, insofern darf die Unabhängigkeit von kommerziellen Interessen der pharmazeutischen Unternehmen ruhig bezweifelt werden.

Jutta Scheiderbauer