Spendenaufruf aus der Hölle

Dieses Schreiben flatterte Jutta Scheiderbauer jüngst in den Briefkasten. Das muss ein Versehen gewesen sein, der Brief sollte vermutlich nur an solvente Menschen versendet werden, die keinen persönlich Bezug zur MS haben, denn MS-Betroffene würde man mit diesen perfiden Überzeichnungen sicherlich verstören.

Das Schreiben vermittelt schon mal keinen professionellen ersten Eindruck. Insbesondere fällt die grau hinter den Text gesetzte Grafik eines Rollstuhlfahrers, der hilfesuchend die Hand nach einem Laufenden ausstreckt, auf. Krass ist auch die Betreffzeile des Schreibens: „Menschen mit MS brauchen ihr ganzes Leben (…) Hilfe, denn diese Krankheit verändert ständig ihr Gesicht…“ Für die überwiegende Mehrheit der Betroffenen trifft an diesem Satz weder die eine noch die andere Aussage zu, noch die logische Verknüpfung. Und dann beginnt der eigentliche Brief mit einem Abschnitt über die Bedeutung sozialer Kontakte als Antidepressivum, ohne Bezug zur MS, dessen Sinn einem erst klar wird, wenn man den zweiten Absatz liest: „Auch MS-Erkrankte sind von der Gesellschaft nicht ausgeschlossen“. Das ist eine Selbstverständlichkeit, deren Erwähnung nach dem einleitenden Absatz den gegenteiligen Eindruck von dem erweckt, was sie dem Wortlaut nach aussagt: MS-Betroffene wären demnach sehr wohl grundsätzlich von der Gesellschaft ausgeschlossen, gäbe es die Hilfe der DMSG nicht.

Der Anhang des Schreibens suggeriert, dass Spenden helfen, eine Vielzahl von Aktivitäten zu finanzieren, dafür hat man hier einfach die Aktivitäten des Landesverbandes rund um den Welt-MS-Tag aufgeführt. Ein Großteil dieser Aktionen wird allerdings von den Selbsthilfegruppen, also MS-Betroffenen, selbst organisiert, und die tun das zumeist unentgeltlich und ehrenamtlich. Gerade die Selbsthilfearbeit der DMSG wird ganz wesentlich von MS-betroffenen Mitgliedern getragen, die offensichtlich keineswegs „ihr ganzes Leben lang Hilfe brauchen“. Dieser Spendenaufruf konterkariert die Öffentlichkeitsarbeit der eigenen Mitarbeitenden mit MS und erweist allen MS-Betroffenen mit dem wiederholten Betonen der unvermeidlichen Hilfsbedürftigkeit einen Bärendienst.

Frau Gerster, die das Schreiben unterzeichnet hat, so erfährt man von Google, setzt sich seit 2000 für die DMSG ein. Ob sie das Schreiben selbst formuliert hat? Ob sie glaubt, dass z.B. sie selbst oder ihre Angehörigen bei einer hypothetischen MS-Diagnose sofort und lebenslang hilfebedürftig seien? Ob sie reflektiert hat, dass ein solches Schreiben die Stigmatisierung von Betroffenen verstärkt, statt sie zu vermindern? Wir wissen es nicht. Schlimmstenfalls kümmert es sie auch nicht.

von Jutta Scheiderbauer, Nathalie Beßler und Christiane Jung

1 Kommentare

  1. Sorry……..aber von dem selbst käufl. Verein ist längst ein Vertreter der Pharmalobby geworden.
    G.Wallraf hätte seine Freude, wenn er da tiefer eintauchen würde.
    Menschen mit lächelnden Masken………….

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